Praktische Anwendung
Fantasie kann nicht erzwungen werden und Innovationen nicht auf Knopfdruck produziert, doch man kann sie entstehen lassen, indem man seine Aufmerksamkeit auf die richtigen Dinge lenkt. Und das lässt sich von außen durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen beeinflussen: zum Beispiel im INNERINNOVATION-Kreativraum. Der Kreativraum kann ein Stück Papier sein, auf dem man mit ersten Notizen oder Skizzen Informationen und Ideen visualisiert. Er kann aber auch ein Flipchart, eine Pinnwand, ein Besprechungsraum, ein großer Saal oder ein Freigelände sein. Ziel und Zweck des Raumes ist es, Orientierung zu bieten und zu helfen, den Fokus für den nächsten Schritt auf dem Weg zu einer Innovation zu finden. Dies geschieht indem das Denken und Handeln Schritt für Schritt konkretisiert und durch Gegenstände, Fotos, Zeichnungen, Prospekte, usw. visualisiert wird. Dafür sollte der Raum möglichst ringsherum freie Wand- und Fensterflächen haben.
Nun werden gedanklich die zwei Achsen aufgespannt, die für das Innovieren von Bedeutung sind: zum einen die Beziehungsachse zwischen den Bedürfnissen der Kunden und den Möglichkeiten des Unternehmens, zum anderen die sie kreuzende Zeitachse zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Informationen über das Bisherige und Ideen für zukünftige Projekte. So entstehen vier Quadranten, die jeweils den Raumecken zugeordnet werden. Mitten im Raum wird ein Experimentierfeld mit einem großen Tisch und den entsprechenden Arbeitsmaterialien eröffnet.

Nachdem der Raum so in fünf Zonen gegliedert ist, füllen die potenziellen Innovatoren – mit oder ohne Anleitung durch einen Kreativtrainer – sie nach und nach aus. Dazu bietet sich ein Kreativprozess in zehn Schritten an:

Schritt 1: Informationen über Möglichkeiten sammeln
Hier wird alles gesammelt, was für das Vorhaben dienlich sein könnte und zur Verfügung steht. Dazu gehören die Fähigkeiten der eigenen Mitarbeiter, Wissen aus bisherigen Projekten, Beziehungen zu Experten, Beziehungen zu möglichen Lieferanten und deren Kompetenzen, verfügbare Technologien und die technischen Ressourcen der eigenen Organisation. Hilfreiche Fragen sind:
Wer sind wir? Was können wir? Wen kennen wir? Was können die, die wir kennen?
Sind diese Fragen beantwortet, wird schnell deutlich, wie viel Potential bereits vorhanden ist. Natürlich hat jeder dieses Wissen über die Möglichkeiten bereits im Kopf. Doch es mit Texten und Bildern zu visualisieren, macht einen großen Unterschied. Außerdem tauchen bei der Befragung der bestehenden Partner und Lieferanten oft unerwartete zusätzliche Möglichkeiten auf.
Schritt 2: Informationen über Bedürfnisse der Kunden sammeln
Der direkte Kontakt zu den Kunden, also zu all jenen, für die die Innovation von Nutzen sein soll, ist dafür unerlässlich. Deshalb sollten im Kreativ-Team Vertreter dieser Nutzergruppen sein, oder zumindest Mitarbeiter, die sich intensiver als die anderen mit deren Bedürfnissen beschäftigen. Sie beschaffen Informationen aus erster Hand, beobachten selbst die Kunden oder laden Kunden zu gemeinsamen Workshops ein. Bei der Visualisierung dieser Informationen in der entsprechenden Raumecke, sollten die Vertreter möglichst den Wortlaut und die grafischen Darstellungen so nutzen, wie sie die Kunden verwenden.
Schritt 3: Ideen zu weiteren Bedürfnissen sammeln
Gesucht sind Bedürfnisse, von denen die Kunden bisher nicht erzählt haben, die die Innovatoren jedoch für möglich halten. Um sich in die Kunden besser hineinzudenken, erstellen sie sogenannte Personas. Das sind fiktive, erfundene Steckbriefe von Personen, die repräsentativ für die jeweilige Kundengruppe stehen. Als würde man die Person sehr gut kennen, wird sie mit sehr konkreten Merkmalen beschrieben. Das hilft dabei die Frage zu beantworten: Welche Bedürfnisse könnte diese Person noch haben? Wenn keine Ideen mehr kommen, wird über das Leben dieser Person nachgedacht: Wie läuft der Tagesablauf dieser Person ab? Wie wird sie das neue Produkt nutzen? Was wird die Person wohl der Freundin, dem Chef, der Mutter über dieses Produkt erzählen?
Schritt 4: Ideen zu weiteren Möglichkeiten sammeln
Noch keine Lösungsansätze, aber alles, was rein theoretisch hilfreich für die Lösung sein könnte, wird nun zusammengetragen. Es darf alles logisch, richtig und vernünftig sein, muss es aber nicht. Jeder kann Ideen platzieren, die er für interessant hält. Nichts wird wegdiskutiert. Killerphrasen sind nie gut, hier sind sie verboten. Hilfreiche Fragen in dieser Ecke sind:
- Wenn sich die Welt so entwickelt, wie ich selbst glaube, was ist dann in Zukunft möglich?
- Was habe ich bei anderen Produkten in anderen Märkten schon gesehen, das für unser Produkt vielleicht auch eine Bedeutung haben könnte?
- Was wäre einfach super, wenn das gehen würde?
- Was ist eigentlich bereits vorhanden, wird aber noch nicht so richtig wahrgenommen?
- Was könnte dadurch Neues entstehen, dass zwei bestehende Möglichkeiten miteinander kombiniert werden?
Schritt 5: Lösungsansätze finden
Nun sind die perfekten Rahmenbedingungen geschaffen, um Lösungsansätze spielerisch, mühelos und zahlreich zu finden. Zunächst werden alle Ideen für die Lösungsansätze, die bisher entstanden sind visualisiert. Um Schwung und Richtung in das kreative Denken zu bringen, stellt der Kreativtrainer aktivierende Fragen wie: Was können wir tun, um den Kunden genau in diesem Punkt glücklich zu machen? Wie würde es Daniel Düsentrieb lösen?
Es sollen so viele Ideen wie nur irgend möglich aus diesem Prozess herausrieseln. Die Lösungsansätze müssen nicht perfekt sein. Sie müssen sich lediglich dazu eignen, um damit weiter zu arbeiten.
Schritt 6: Auswerten und Entscheiden
Es folgt die Entscheidung, welche Ansätze zunächst weiterverfolgt werden sollen. Auswählen bedeutet hier nicht, einen Ansatz aufzugeben, sondern ihn für den Moment zurückzustellen. Die Intuition des Teams ist nun gefragt und der Entscheidungsprozess sollte dem Rechnung tragen. Eine sehr einfache und wirkungsvolle Team-Methode verwendet ein Spielfeld als Metapher. Die Aufgabe: Sortieren Sie die gefundenen Ansätze in drei Gruppen. Ansätze, die von allen für gut befunden werden, kommen auf das „Spielfeld“. Sie werden direkt weiter verfolgt. Wird ein Ansatz zwar nicht von allen, aber doch von mehreren für gut befunden, landet er auf der „Ersatzbank“. Ein Ansatz, der nur einen einzigen Anhänger findet, wird dem „Nachwuchs“ zugeordnet. Falls es Ansätze gibt, die keinen Unterstützer mehr finden, wird für sie ein Ort für „verborgene Talente“ geschaffen. Weiter geht es mit den Ansätzen auf dem Spielfeld.
Schritt 7: Prototyping
Beim Prototyping geht es um das sehr schnelle Prüfen von Lösungsansätzen. Wer innovativ werden will, solltedabei versuchen, daran Gefallen zu finden, früh und oft zu scheitern. Jedes Scheitern ist eine Lerngelegenheit und je früher dies geschieht, desto kleiner ist der „Preis“, der dafür zu zahlen ist. Zur einfachen und schnellen Überprüfung stehen prinzipiell vier Möglichkeiten zur Verfügung:
- Suche nach weiteren Informationen, die helfen zu verstehen, ob der Lösungsansatz erfolgreich sein könnte. Das sind z.B. Informationen über technische Möglichkeiten, Märkte oder Preise.
- Nachdenken, um den Ansatz mit allem eigenen Wissen und der eigenen Intuition zu überprüfen und zu optimieren.
- Kommunizieren des Ansatzes an Außenstehende wie Freunde, Kollegen, mögliche Kunden, mögliche Partner oder Lieferanten usw. um Denkprozesse bei Anderen anzustoßen und ggf. neue wertvolle Impulse für die Verbesserung des Ansatzes oder auch nur einzelner Details zurück zu bekommen. Hinweise auf komplett neue Ansätze können ebenfalls dabei sein. Die ganze Welt des „Open Innovation“ gehört hier dazu.
- Probieren der Ansätze durch einfaches Visualisieren. Dazu wird der Ansatz so dargestellt, dass sich Andere (z.B. Kollegen oder Kunden) hineinfühlen können und somit ein qualifiziertes Feedback geben können wie gut der Ansatz ist. Das kann beispielsweise eine Zeichnung, etwas Gebasteltes, eine Darstellung auf dem Bildschirm oder eine schauspielerische Darbietung sein. Mit der Visualisierung wird das „Testing“ gemacht.
Schritt 8: Testing
Nun lassen die Innovatoren die Ansätze intern und sobald wie möglich extern von potentiellen Anwendern testen. Dabei werden die Testkandidaten gut beobachtet. Wie agieren sie körpersprachlich? An welcher Stelle werden sie hellhörig? Was scheint schwer nachvollziehbar zu sein? Mit dem Feedback aus dem Test wird der Kreativraum aktualisiert. Je nach Testergebnis wird an unterschiedlichen Stellen im Prozess weitergearbeitet. Es kann (oder wird) also auch Wiederholungsschleifen geben.
Schritt 9: Präsentieren und Überzeugen
Neben dem guten Produkt sind zahlreiche Einflüsse maßgeblich, ob die Präsentation überzeugend wirkt. Wichtig ist, dass das Kreativteam Aufmerksamkeit gewinnen kann. Es muss seine Adressaten mit allen Sinnen erreichen. Zum Beispiel durch eine emotionale Visualisierung oder etwas zum Anfassen. Falls es zum Thema passt, dann werden Farben, Klänge oder Gerüche genutzt. Und wenn es nicht gelingen sollte, zu überzeugen oder gar Begeisterung auszulösen, haben die Präsentatoren die Chance, zu erkennen, in welchem Moment das Interesse verloren gegangen ist. Sie können Kommentare und Bewertungen einsammeln und eine weitere Lerngelegenheit nutzen.
Schritt 10: Feiern und Lernen
Das Review schließt die Lernschleife, mit der die Innovatoren aus dem aktuellen Kreativraum-Projekt etwas für künftige Projekte lernen. Sie fragen sich, ob sie ihr Ziel erreicht haben, und: Wodurch wurde dies möglich? Worauf achten wir beim nächsten Projekt besonders? Was machen wir beim nächsten vergleichbaren Projekt anders? Welche Fragen waren in diesem Projekt besonders hilfreich?
Ganz wichtig beim Review ist, die neu erarbeiteten oder kennengelernten Möglichkeiten festzuhalten, damit sie nicht verloren gehen und als Grundlage für weitere Projekte für alle sichtbar bleiben. Und natürlich gehört das Ergebnis gefeiert. Mit Freude und Spaß entstehen die besten Innovationen.
Die Interaktion im Kreativraum
MIT LEICHTIGKEIT:
Sie ist ein wichtiges Prinzip im Kreativraum. Die Teilnehmer tragen immer die Informationen zusammen, die leicht fallen. Je nachdem, ob ein Kundenwunsch, eine technische Neuerung, ein neuer Kooperationspartner, ein Markttrend, ein Geistesblitz oder noch etwas anderes der Ausgangspunkt für ein mögliches Vorhaben ist, beginnen sie im entsprechenden Quadranten und füllen anschließend die übrigen.
IM FLOW:
Als Zusammenarbeitsmethode hat sich die FlowTeam-Methode als geradezu ideal herauskristallisiert. Dabei arbeiten die Teammitglieder vielfach parallel, sie bringen sich ein, wo es ihnen am sinnvollsten erscheint, visualisieren ständig, was sie erarbeiten, und binden ihre Teammitglieder von Zeit zu durch eine integrative Speedpräsentation mit ein.
OHNE PERFEKTIONISMUS:
In der Regel wird auf Haftnotizen notiert, um ständig leicht wieder Veränderungen vornehmen zu können. Jedes Flip-Chart ist mit einer klaren Überschrift versehen, die oft als Frage formuliert ist. Das, was formuliert wird, darf zu jeder Zeit unperfekt sein. Es muss sich lediglich dazu eignen, ein Stück in die richtige Richtung voran zu kommen, um zu erkennen, was in der nächsten Version noch verbessert werden sollte.